Frühlings-Fingerkraut

Das Wüste lebt – Unerwartetes beim Bahnhof Burgdorf

Die mit Schottersteinen bedeckte Brache liegt zwischen dem Autoparkplatz vor dem Bahnhof, dem Veloweg auf der einen Seite und einem Drahtzaun auf der anderen Seite. Die blühenden Pflanzen sind auf dem Gelände aktuell mit roten Pfosten markiert und ihre Eigenschaften beschrieben. Wir laden Sie ein, diese zierlichen Pflanzen vor Ort anzuschauen.

Folgende Arten mit ganz unterschiedlichen Strategien leben derzeit zwischen dem Gleisschotter:

02.08.2021 – Rosa Blütenpracht beim Bahnhof Burgdorf

Wer sich nächstens auf der Brache neben der Velostation umschaut, traut kaum seinen Augen: Überall wachsen fast meterhohe Stauden, der alte Geleiseschotter ist in ein rosa Blütenmeer getaucht. Es ist das Rosmarin-Weidenröschen, das mit seinen Blüten bis in den Herbst hinein alle erfreut. Diese im Mittelland seltene Pflanze ist eigentlich auf den nur manchmal überschwemmten Kiesbänken der Flüsse in warmen Lagen daheim. Weil diese Standorte kaum mehr vorkommen, ist sie auf ähnliche Orte in Kiesgruben und eben auch auf Geleiseschotter ausgewichen. Die Samen der Weidenröschen können vom Wind dank der feinen Schirmchen weit transportiert werden. Offenbar passt es der Pflanze gut beim Bahnhof Burgdorf. Mit ihren langen Pfahlwurzeln übersteht sie die Hitzewellen auf dem Schotter ohne Probleme. 

Rosmarin-Weidenröschen Christian Hedinger
Bald in voller Blüte: Rosmarin-Weidenröschen (Epilobium dodonaei)

Zum Rosmarin-Weidenröschen gehört ein Nachtfalter, der Fledermausschwärmer. Seine Raupe wird bis 8 cm lang und rund 1 cm dick. Am Tag sieht man sie kaum, in der Nacht frisst sie die Blätter des Rosmarin-Weidenröschens oder auch der Nachtkerzen. Der nächste nachgewiesene Standort ist bei Utzenstorf. Beim Bahnhof Burgdorf sind bisher weder Raupe noch Falter gesichtet worden, aber wer weiss, vielleicht findet jemand diese Art der Roten Liste?

Raupe des Fledermausschwärmers Wikipedia Commons
Raupe des Fledermausschwärmers

07.06.2021 – Gewöhnlicher Natternkopf (Echium vulgare), stolzer Heinrich

Der Name «Echis» stammt aus dem griechischen und bedeutet «Natter», wegen der an einen Schlangenkopf erinnernden Blüte und «vulgaris» = «häufig, gewöhnlich». 

Die zu den Raublattgewächsen oder Borretschgewächsen zählende Pflanze liebt sonnige, humusarme Böden. Diesen Bodentyp finden wir auf der Bahnanlage vor. Die rosa-blaue Blüten einer Pflanze bilden alle zusammen einen Gesamtblütenstand. Die Staubblätter der einzelnen Blüten dienen als Landeplatz für verschiedenen Bestäuber. Die Bienen lernen, dass nur die rosa Blüten den süssen Nektarsaft haben. Nach der Bestäubung wechselt die Blüte ihre Farbe von rosa nach blau. Früher wurde die Pflanze als Mittel gegen Schlangenbisse eingesetzt. Die jungen Triebe können als Gemüse verwendet werden. 
 

Gewöhnlicher Natternkopf Martin Bär
Gewöhnlicher Natternkopf

07.06.2021 – Kleiner Wiesenknopf (Sanguisorba minor), kleine Bibernelle

Der lateinische Name hat folgende Bedeutung: «Sanguis» = «Blut»; « sorbere»= «aufsaugen»; «Minor» = «klein». Der Name stammt von der früheren Verwendung der Pflanze, welche bei Blutungen und Entzündungen des Mund- und Rachenraumes eingesetzt wurde.

Die oft wintergrüne Halbrosettenpflanze, welche zwischen Mai und August eher unscheinbar blüht, wird 30-60 cm hoch. Die Blüte besteht aus einem grünen Kelch und einem kugeligen Köpfchen. An diesem stehen oben die roten, weiblichen Blüten und zuunterst die zuerst reifenden (Förderung der Fremdbestäubung), männlichen Blüten mit im Wind beweglichen Staubbeuteln. Denn als Ausnahme der Rosengewächse ist der kleine Wiesenknopf vom Wind bestäubt. Die Pflanze wächst mit Vorliebe auf sonnigen, lückenhaften Mager- und Halbtrockenrasen. 

Übrigens: Die kleinen, fein zusammengesetzten Blätter geben nach altem Bauernbrauchtum ein gutes Gewürzkraut ab: Fein gewiegt im Salat oder grob gehackt in der Suppe.

Kleiner Wiesenknopf Martin Bär
Kleiner Wiesenknopf

10.05.2021 – Mauereidechse

Die Mauereidechsen finden in dieser kargen Landschaft alles, was sie für ihr anspruchsloses Leben brauchen: Wärme, Deckung zwischen den Steinen, Insekten verschiedenster Art, welche sie fangen und verschlingen und etwas sandigen Boden, in welchen sie ihre Eier legen können.

Die Mauereidechse ist unter den einheimischen Eidechsen diejenige, welche sich in den letzten Jahren stark ausgebreitet hat. Entlang von Bahngeleisen, aber auch in Gärten mit sonniger Hanglage kommen Mauereidechsen häufig vor. Sie sind schlank und flink. Erwischt sie dennoch einmal eine Katze, dann haben sie immer noch die Möglichkeit, ihren Schwanz abzuwerfen und so dem Räuber zu entkommen. Der Schwanz wächst in den kommenden Monaten wieder nach.

Männchen und Weibchen sehen sich ähnlich. Wer sie unterscheiden will, muss gut hinschauen. Die Männchen variieren in der Grundfarbe zwischen braunen und gräulichen Farbtönen. Oft ist der Körper gefleckt. Bei den Weibchen finden wir an den Flanken oft helle und dunkle Längslinien. Auch da ist ein fleckenartiges Muster zu erkennen. Beim nächsten Spaziergang entlang des SBB Areals achten Sie doch einmal auf diese flinken Reptilien und halten Sie kurz inne.

Mauereidechse Manfred Eichele
Mauereidechse

10.05.2021 – Gewöhnlicher Wundklee

«Anthyllis» ist ein griechischer Name und bedeutet «Blüte». «Vulnerarius» kommt aus dem lateinischen und bedeutet «Wund», denn die Blüten standen als Wundmittel in hohem Ansehen 
Die ausdauernde Halbrosettenpflanze, welche zwischen Mai bis Juli gelb blüht, wird 15-30 cm hoch. Aufgrund des Blütenaufbaus wird der Wundklee von langrüsseligen Insekten wie Hummeln und Faltern besucht. Die Pflanze wächst mit Vorliebe auf mageren, nährstoffarmen Rasen und Böden. Dies kann sie vorzüglich, da sie an ihren Wurzeln eine Symbiose (Lebensgemeinschaft) mit Luftstickstoff bindenden Knöllchenbakterien unterhält. Dabei produzieren die Bakterien für die Pflanze und den Boden Dünger. Die Pflanze liefert den Bakterien dazu den nötigen Zucker zum Überleben. Leider gehen magere Standorte, wie wir hier auf dem SBB Areal vorfinden, je länger je mehr verloren. Deshalb ist auch der Bestand des Wundklees abnehmend.

Gewöhnlicher Wundklee Christine Müller
Gewöhnlicher Wundklee

31.03.2021 – Dreifingeriger Steinbrech

Die zierliche, unscheinbare, frühblühende, einjährige Pflanze «Dreifingeriger Steinbrech» (Saxifraga tridactylites) ist 2 bis 18 cm gross. Die rötlichen Grundblätter sind rosettig am Boden sichtbar. Während der Blütezeit, welche vom April bis Juni dauert, sind die Blätter abgedorrt. Die Samen sind eiförmig, ca. 0.3 mm lang. Der Steinbrech ist überall mit Drüsen besetzt, deshalb fühlt er sich leicht klebrig an. Er braucht die klebrige Flüssigkeit, um Insekten festzuhalten und dann zu verdauen. Als fleischfressende Pflanze kann die Pflanze zusätzliche Nährstoffe aufnehmen, welche der karge und nährstoffarme Untergrund nicht liefert. Man findet die Pflanze nämlich an besonders sonnig trockenen Hängen, aber eben auch seltenerweise auf Brachland. Früher wurde es innerlich und äusserlich gegen Drüsenverhärtungen empfohlen wie auch mit Bier gekocht gegen chronische Gelbsucht verwendet (nach Hegi: Illustrierte Flora von Mitteleuropa; JF Lehmanns Verlag).

Dreifingeriger Steinbrech
Dreifingeriger Steinbrech

15.03.2021 – Frühlings-Fingerkraut

Das Frühlingsfingerkraut (Potentilla verna) ist eine polsterbildende Rosettenpflanze, welche mit blütenlosen Trieben sich auf dem Boden ausbreitet. Da die Pflanze auffallend früh im Jahr gelb blüht, wird sie von bis zu 30 verschiedenen Wildbienenarten besucht, welche den zuckerhaltigen Nektar aus der Blüte aufsaugen und der Pflanze einen Dienst erweisen, indem sie die Pollen der Pflanze auf dem Rücken zur nächsten Pflanze transportieren und diese dadurch bestäubt wird. Es sind vor allem Ameisen, welche die Samen verbreiten. Das Fingerkraut kann im späteren Herbst noch einmal blühen. Es handelt sich um eine anspruchslose Pflanze, die auf Schotterflächen, aber auch auf Kiesflächen ums Haus herum an sonnigen und trockenen Standorten gut gedeiht und Bodendecker bildet. Käuflich auf dem «Wildpflanzenmärit» in Bern (28.4.2021) oder in Gärtnereien.

Frühlings-Fingerkraut
Frühlings-Fingerkraut