Naturschutzgebiet Engstlenalp: Idylle hier, unbewilligte Betonspuren da. Foto: J. Ryser/ M. Schnidrig
25.10.2018

Illegale Bauten – ein Problem für den Naturschutz

Bewilligungsverfahren sollen sicherstellen, dass bei Bauvorhaben die Gesetzgebung eingehalten wird, auch zum Schutz der Natur. Tatsächlich werden in der Praxis immer wieder natur- und landschaftsrelevante Vorhaben ohne Bewilligung realisiert. Nur aufmerksame Umweltorganisationen und das Verbandsbeschwerderecht können hier einen Gegendruck erzeugen und mithelfen, dass die rechtsstaatlichen Verfahren eingehalten werden.

Raumrelevante Bauten und Eingriffe in die Landschaft benötigen eine Bewilligung der zuständigen Behörden. Alle Gesetze (bzw. die abgeleiteten Verordnungen), die Eingriffe regeln, auf kantonaler Ebene etwa das Baugesetz, das Wasserbaugesetz, aber auch das Naturschutzgesetz, definieren entsprechende Anforderungen und Verfahren. Damit will der Gesetzgeber sicherstellen, dass die gesetzlichen Vorgaben eingehalten werden und, wo vorgesehen, eine Interessenabwägung vorgenommen wird. Solche Bewilligungsverfahren sind auch für den Naturschutz von grosser Bedeutung. Der Druck auf Natur und Landschaft ist beträchtlich. Mehr noch als einzelne grosse Projekte sind es dabei die Vielzahl der kleinen Eingriffe, welche die Artenvielfalt und das Landschaftsbild beeinträchtigen. Doch die Gesetzgebung kann nur einen Schutz bzw. eine Interessenabwägung sicherstellen, wenn sie auch angewendet wird.

Und hier beginnt das Problem

Bauten und Eingriffe ohne Bewilligung sind nicht seltene Ausnahmen, sondern weit verbreitet, insbesondere im Oberland und Jura. Beispiel Engstlenalp: Ein Vorstandsmitglied von Pro Natura Berner Oberland stellt bei einem Besuch fest, dass im Naturschutzgebiet ein Bewirtschaftungsweg betoniert wurde. An eine Baupublikation kann sich niemand erinnern. Nachfragen bei der zuständigen Gemeinde ergeben dann schnell, dass eine Baubewilligung fehlt. In solchen Fällen wird der Bauherrschaft die Gelegenheit gegeben, ein nachträgliches Baugesuch einzureichen. Dann folgt das zweite Problem. Weil die Baute bereits steht, ist die Bereitschaft gross, diese auch zu bewilligen. So wird es auch in diesem Fall sein. Die Bauherrschaft erreicht ihr Ziel, was bei einem korrekten Verfahren nicht sicher gewesen wäre. Zumindest wäre wohl eine weniger auffällige Form der Befestigung bewilligt worden. 

Ein im wahrsten Sinn des Wortes weites Feld für unbewilligte Bauvorhaben sind Terrainanpassungen. Meist geht es um die billige Deponie von Aushubmaterial; vorgeschoben wird gerne eine landwirtschaftliche Bodenverbesserung. Im Kandertal waren und sind solche Vorhaben zahlreich. Vor vier Jahren hatten wir über die Praxis und ihre Auswirkungen berichtet. Von 19 geprüften Bauvorhaben verfügten vier über keine Bewilligung. Und bei der Ausführung wurden die Projektinhalte und Auflagen wiederholt nicht eingehalten. Dies ist nicht nur aus rechtlichen Gründen problematisch. Mit Terrainanpassungen wird die stark strukturierte Landschaft zunehmend eingeebnet und trivialisiert, sowie die landwirtschaftliche Nutzung zum Schaden der Natur intensiviert. 

Im Jura sind es ebenfalls Terrainanpassungen, inklusive Planierungen von strukturreichem Gelände mit Hilfe von Steinfräsen, die oft illegal ausgeführt werden und Naturwerte zerstören. Pro Natura Jura bernois registrierte seit 2010 fünf Terrainauffüllungen ohne Bewilligung. Dabei wurden häufig Dolinen aufgefüllt, auch mit Abfällen. Im gleichen Zeitraum wurden 33 Fälle von illegalen Planierungen mit Steinfräsen (girobroyage) festgestellt, mit betroffenen Flächen von bis zu mehreren Hektaren. Bei diesem Eingriff werden die ganze Oberfläche pulverisiert und die Lebensraumstrukturen sowie Flora und Fauna zerstört. Zwar werden auch hier häufig nachträgliche Bewilligungsverfahren durchgeführt. Aber der Schaden ist angerichtet. Verfügte ökologische Ersatzmassnahmen sind meist bescheiden und können die Verluste nicht kompensieren.

Eine Nicht-Bewilligung nachträglicher Gesuche würde der Bewilligungsbehörde weitere unangenehme Entscheide aufnötigen. Sie müsste nämlich über die Wiederherstellung befinden und nach Rechtslage diese in aller Regel auch verfügen. Beispiel Cholere bei Thun: Auch hier wurde ein Weg befestigt, diesmal mit Asphalt. Die Stadt Thun beantragte im nachträglichen Baubewilligungsverfahren, aufgrund der kommunalen Schutzbestimmungen für das Gebiet, die Bewilligung zu verweigern. Der Regierungsstatthalter hatte keine Wahl als den Bauabschlag zu erteilen. Die nächste Konsequenz wäre nun gewesen, die Wiederherstellung zu verfügen. Doch er verzichtete darauf, womit der Bauherr sein Ziel trotz Rechtswidrigkeit erreicht hätte. Pro Natura Bern hat diesen Entscheid mit Beschwerde angefochten und verlangt, dass gemäss Rechtslage und Gerichtspraxis die Wiederherstellung verfügt wird. 

Die Zahl von Beispielen illegaler Bauten ist gross

Bereits im Jahr 2000 hatte Pro Natura Berner Oberland eine Liste mit 48 (!) Fällen zusammengestellt, die wir der damaligen Volkswirtschaftsdirektorin vorlegten. Das zuständige Amt stellte fest, dass dabei in mindestens 13 Fällen schützenswerte Lebensräume zerstört worden waren. Auch wenn teilweise nachträgliche Bewilligungen erteilt wurden, so ändert dies nichts daran, dass die Bauten vollendete Tatsachen geschaffen haben, ohne dass eine Interessenabwägung stattgefunden hatte, und teilweise ohne dass nötige ökologische Ersatzmassnahmen verfügt worden wären. Auch die vom Gesetz vorgesehenen Bussen wurden wohl in den seltensten Fällen verhängt. Jedenfalls sind uns keine Beispiele dafür bekannt. Eine abschreckende Wirkung haben sie auf keinen Fall.

Die Problematik weist einmal mehr darauf hin, wie wichtig das Verbandsbeschwerderecht der Umweltorganisationen ist. Natur und Landschaft haben keine anderen Anwälte, die sich für ihre Interessen einsetzen. Baubewilligungs- und Baupolizeibehörden sind zwar in der Verantwortung, doch nehmen sie diese offensichtlich nicht immer in genügendem Mass wahr, und würden sich beim Fehlen dieser Interessenvertretung noch stärker den Bauherreninteressen zuwenden. Die halbwegs korrekte Anwendung der Natur- und Umweltgesetzgebung wäre deshalb nicht sichergestellt.

Weiterführende Informationen

Info

Naturschutzgebiet Engstlenalp: Idylle hier, unbewilligte Betonspuren da. Foto: J. Ryser/ M. Schnidrig

Dieser Artikel wurde im Pro Natura lokal 2 / 2018 publiziert.

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