Biberaue Ferenbalm Pro Natura Bern
06.03.2019

Naturschutz mit der grossen Kelle

Nach acht Jahren intensiver Planung und einer rund einjährigen Bauzeit ist mit dem Projekt «Biberaue» in Ferenbalm ein neuer Lebensraum entstanden. Der aktuelle Zustand ist jedoch erst der Ausgangspunkt für eine spannende Veränderung. Nun soll ein Nagetier, dessen Schwanz auch als Kelle bezeichnet wird, die weitere Entwicklung des Gebiets übernehmen.

Ob gross oder klein, stehend oder fliessend – Gewässer sind die Lebensadern unserer Landschaft und beherbergen eine grosse Anzahl an Arten. Die Schweiz war einst überzogen von einem Netz aus Feuchtgebieten, einem Paradies für viele Tiere und Pflanzen. Heute gibt es nur noch kleine Reste dieses Netzes. Viele Bäche, Flüsse, Seen, Moore und Sümpfe wurden im vergangenen Jahrhundert trockengelegt, in enge Korsette gezwängt, eingedolt oder vergiftet.

Die starke Beeinträchtigung der Feucht-Stand- orte spiegelt sich leider auch deutlich in den Roten Listen wider: Über ein Fünftel der vom Aussterben bedrohten oder in der Schweiz ausgestorbenen Arten sind an Gewässer gebunden, ein weiteres Fünftel an Ufer und Feuchtgebiete. Mit ein Hauptgrund ist das Fehlen der natürlichen Dynamik. Die Lebendigkeit der Flüsse, die bei Hochwasser zu grossflächigen Überschwemmungen der Auen führt, ist längst gebrochen.

Baumeister Biber, bitte übernehmen!

Ein Meister der dynamischen Landschafts-entwicklung ist der Biber. Er gräbt, staut, überschwemmt und fällt. Kurzum: Die Tiere bringen Bewegung in die vielerorts verarmten Gewässer. Seit ihrer Rückkehr in den Kanton Bern arbeiten sie Nacht für Nacht an der Re-Dynamisierung unserer Gewässer. Alles was die Tiere brauchen, ist genügend Platz. Und genau diesen wollen wir ihnen mit dem Projekt in Ferenbalm bieten. Während unsere Arbeit nun mehrheitlich abgeschlossen ist, fängt diejenige unseres Partners bei diesem Projekt erst richtig an: Auf rund der Hälfte der Projektfläche soll der Biber der hauptsächliche Landschaftsgestalter und Baumeister sein.

Um ihm den Start zu erleichtern, wurden in einigen Zonen die Wiesen vernässt. Mehrere hundert neu gepflanzte Weiden sollen zudem die Tiere auf die Fläche locken. Die weitere Feinarbeit überlassen wir nun dem schlauen Nager. Die Tiere werden dafür sorgen, besser als wir Menschen das jemals könnten, dass ein lebendiges Naturparadies als Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen entsteht.

Ein langer Weg

Angefangen hat alles im November 2009, als der Biber mit einigen Dämmen einen Bach staute und damit grössere Flächen Landwirtschaftsland überflutete. Als Sofortmassnahme wurden daraufhin einzel- ne Biberdämme entfernt. Die periodischen Überschwemmungen konnten damit aber nicht verhindert werden. Es galt, nachhaltigere Lösungen zu finden. Pro Natura Bern schlug anlässlich einer Begehung vor, die drei Hektaren grosse Landfläche zu er- werben und eine Biberaue entstehen zu lassen. Es dauerte drei Jahre, bis dann Ende 2012 das Land tatsächlich gekauft werden konnte.

Viel Überzeugungsarbeit musste geleistet werden und unzählige Hürden aus dem Weg geräumt werden, bis schliesslich Ende 2017 die notwendigen Bauarbeiten am Terrain an die Hand genommen werden konnten. Nebst der kantonalen Wasserbaugenehmigung musste auch die Finanzierung des Projektes gesichert werden, was mit Beiträgen des Bundes und des Kantons Bern, des Renaturierungsfonds, der beiden Ökofonds BKW und ewb sowie Pro Natura auch gelang.

Ein Gebiet – mehrere Schwerpunkte

Von Anfang an war es das Hauptziel, ein durch den Biber gestaltetes natürliches und artenreiches Auengebiet entstehen zu lassen. Im Laufe der Planung kamen aber weitere Elemente dazu: Insbesondere wurde die unterbrochene Längsvernetzung der angrenzenden Bibere wieder hergestellt. Denn diese war mit einem Wehr versehen, um Wasser für eine Mühle abzuleiten. Das Stauwehr unterbrach die Wanderrouten von Fischen und anderen im Wasser vorkommenden Arten. Die Passierbarkeit wurde mit der Erstellung eines sogenannten Beckenpasses sowie dem Entfernen von weiteren Wanderhindernissen wieder gewährleistet.

Im Rahmen des Projekts neu in der Bibere eingebautes Totholz wertet den Bachlebensraum für Forellen, Groppen und andere Wasserlebewesen deutlich auf. Als weitere Massnahme wurde eine bestehende Abwasserleitung, welche das Projektgebiet quert, verlegt. Damit konnte das ökologische Potential der Fläche noch einmal markant erhöht werden. Durch den Bau von zwei Teichen soll schliesslich die natürliche Wiederbesiedlung des Gebiets durch den seltenen Laubfrosch ermöglicht werden.

Entwicklung beobachten

Mit dem Biber als Baumeister braucht es sicher mehr Zeit bis die angestrebte Veränderung vorliegt als bei einer herkömmlichen Renaturierung. Das Vorgehen bietet aber die einmalige Gelegenheit, den langfristigen Einfluss des Schaffens von «Meister Bockert» und die Rückeroberung eines natürlichen Lebensraumes zu dokumentieren. Zu diesem Zweck ist ein professionelles Monitoring angelaufen. Das Projektgebiet zeigt momentan noch die typische Artenzusammensetzung einer landwirtschaftlich genutzten und teilweise bewaldeten Kulturlandschaft des Schweizer Mittellandes. Seltene oder geschützte Arten sind praktisch keine vorhanden. Wir freuen uns darauf, wenn schon bald viele feuchtgebietstypische Pflanzen, Libellen, Vögel und Amphibien die neugeschaffene Biberaue bevölkern. Vielleicht entdecken wir bereits erste Vorboten anlässlich der Delegiertenversammlung, welche am 4. Mai in Ferenbalm stattfinden wird

Seit dem Winter 2007/08 besiedeln Biber das Projektgebiet bei Ferenbalm. Sie sind nun eingeladen, den Naturraum zu gestalten und aufzuwerten. Pro Natura Bern
Seit dem Winter 2007/08 besiedeln Biber das Projektgebiet bei Ferenbalm. Sie sind nun eingeladen, den Naturraum zu gestalten und aufzuwerten.

Weiterführende Informationen

Info

Dieser Artikel wurde im Pro Natura lokal 1 / 2019 publiziert.

Unser Mitteilungsheft, das «Pro Natura Lokal», erscheint zweimal jährlich im Frühling und Herbst in deutsch und französisch und informiert über unsere laufenden Projekte und Veranstaltungen.