Natur rund um das Pro Natura Zentrum Eichholz Matthias Sorg
08.03.2021 Praktischer Naturschutz

Das Pro Natura Zentrum Eichholz – eine Naturoase an der Stadtgrenze

Anfang des Jahres hat Pro Natura Bern die Verantwortung für das Naturzentrum im Eichholz, Wabern, übernommen. Das Zentrum mit Reservat ist eine Oase der Biodiversität an der Aare und mit seinem umfangreichen Programm, den naturkundlichen Ausstellungen und dem Lern-Angebot für Schulen ein Meilenstein für das Umweltbildungsangebot von Pro Natura Bern.

Was für krasse Gegensätze erlebt man hier im intensiv genutzten Naherholungsgebiet Eichholz in Wabern: Auf der Spielwiese tollen sich Kinder und Hunde, unter lautem Rufen spielen Jugendliche Fussball, Familien geniessen den herrlichen Frühlingstag mit Cervelats am Feuer, auf dem Uferweg begegnen sich Spaziergänger, Kinderwagen und Velofahrer, und ein paar Hartgesottene gönnen sich ein Bad in der kalten Aare. Kaum ein Ort, wo man die Ruhe in der Natur suchen würde. Doch hinter einem schlichten Zaun, etwas versteckt im zarten Grün der austreibenden Bäume, taucht man unvermittelt in eine Naturoase, in der von üppigem Grün umsäumte Teiche, ein vielstimmiges Vogelkonzert und ein eleganter Holzturm zur Naturbeobachtung einladen. Was es dort wohl alles zu entdecken gibt? 

Vom Turm aus blickt man durch verschiedene Luken in die vielfältige Teichlandschaft mit offenen Wasserflächen, dichtem Schilfbestand, Seggenried, Hecken und alten Weiden mit vielen Baumhöhlen. Ein Paradies für unzählige Tier- und Pflanzenarten. Gegen sechzig verschiedene Vogelarten wurden im 2 ha grossen Gebiet bereits festgestellt, darunter Bekassine, Wasserralle, Eisvogel und Rohrdommel. Auch für Libellen und viele Wasserinsekten ist das Naturreservat mit seinem kleinräumigen Lebensraummosaik ein Hotspot. Zudem hat ein Spezialist auf dieser kleinen Fläche 45 Schneckenarten festgestellt. Und wenn man Fotofallen auswertet, sieht man das who is who der Säugetiere vorbeigehen: Neben Reh, Fuchs und Dachs sind auch regelmässig Iltis, Biber, Fischotter und sogar Hermelin anzutreffen. Diese ausserordentliche Biodiversität lässt sich durch die intensive Erholungsnutzung der Menschen ausserhalb des Zauns kaum beeindrucken.

Wechselvolle Geschichte

Das war nicht immer so. Wo sich heute Natur ausbreitet, wurde vor knapp 100 Jahren intensiv Sport betrieben! Das ursprünglich zur Auenlandschaft der Aare gehörende Gebiet mit grösseren Riedflächen – auf alten Karten findet sich noch die Bezeichnung Eyholzmoos – wurde im Zuge der Aarekorrektion um 1850 von der natürlichen Flussdynamik abgehängt. Später wurden die Quellbäche des Aarehanges in Kanäle geführt und das Gebiet des heutigen Reservats aufgeschüttet. So entstand hier durch Fronarbeit der Mitglieder der Gymnastischen Gesellschaft Bern (GGB) ein Sportstadion, in dem 1923 die Schweizer Leichtathletikmeisterschaften stattfanden und zeitweise die Young Boys trainierten. Das Quellwasser machte der Sportstätte aber immer wieder zu schaffen, sodass die GGB das Gelände nach etwa 10 Jahren wieder aufgab. Daraufhin wurde eine kantonale Fischzucht gebaut und 1945 eingeweiht, mit Gebäuden zur Aufzucht der Jungfische (heutiges Zentrum) und mit künstlich angelegten länglichen Fischbecken (der heutigen Naturoase). Hier wurden jahrzehntelang verschiedene Fischarten aufgezogen, um später in die Gewässer im ganzen Kanton ausgesetzt zu werden.

Ende der 70er-Jahre musste die Fischzucht verlegt werden, da versiegende Quellzuleitungen und die prekäre Qualität des Flusswassers einen weiteren Betrieb verunmöglichten. Nun setzte sich eine Gruppe von Anwohnern im Eichholzquartier dafür ein, dass die Teichlandschaft als Lebensraum für Amphibien und als Schulreservat erhalten bleibt. 1989 beschloss das Stimmvolk von Köniz im Rahmen des Uferschutzplanes das Gebiet als Naturreservat zu schützen und in den Gebäuden ein Naturzentrum vorzusehen. Ein Verein übernahm die Pflege des Schutzgebietes und die Bildungsarbeit mit Schulklassen; mit dem Naturzentrum wollte es aber nicht recht vorwärts gehen. Erst 2010 konnte durch die Initiative des damaligen Präsidenten Michael Zimmermann und der zuständigen Gemeinderätin Rita Haudenschild ein Naturzentrum in den ehemaligen Fischzucht-Gebäuden realisiert werden. Seither begeistert das Zentrum jedes Jahr eine wachsende Anzahl von naturinteressierten Besucher*innen mit seinen Anlässen, der Ausstellung und dem vielfältigen Naturraum.

Der neue Turm bietet einmalige Einblicke in das Naturreservat im Eichholz. Foto: lichtmaler.media
Der neue Turm bietet einmalige Einblicke in das Naturreservat im Eichholz.

Eine Zukunft mit Pro Natura Bern

Da sich die Gemeinde Köniz nicht weiter finanziell am Zentrum beteiligen wollte, hat sich Pro Natura Bern bereit erklärt, den weiteren Betrieb zu sichern. Zusammen mit dem Verein Naturzentrum Eichholz wird das erfolgreiche Projekt weitergeführt und wird die bedeutende Einrichtung der Umweltbildung im Raum Bern weiterentwickelt. Seit der Eröffnung 2011 haben gegen 45'000 Personen das Zentrum besucht und jedes Jahr – zumindest in pandemiefreien Zeiten – konnten 80 bis 100 Schulklassen durch Animationen und Führungen für die Natur begeistert werden. Jedes Jahr erstellt das Zentrum mit Hilfe seiner zahlreichen freiwilligen Helfer*innen ein umfangreiches Veranstaltungsprogramm mit Führungen, Vorträgen, Workshops und Konzerten für Kinder, Familien und Erwachsene. Ebenso bietet die naturkundliche Ausstellung – dieses Jahr zu den Rabenvögeln der Schweiz – die Möglichkeit, sich vertieft mit Aspekten der Natur im urbanen Raum auseinanderzusetzen. Der Wildbienen-Lehrpfad gleich hinter dem Zentrum zeigt auf, mit welchen Mitteln im Garten ein Bienen-Paradies geschaffen werden kann und wie wichtig diese «vergessenen» Bienen für uns sind.

Das Pro Natura Zentrum Eichholz ist für Pro Natura Bern ein einmaliges Naturfenster in einem urbanen Raum, attraktiv gelegen und einfach erreichbar. Es ist bestens geeignet, um einem breiten Publikum die Biodiversität in Stadtnähe aufzuzeigen und die Ziele und Werte von Pro Natura zu vermitteln. Es verfügt über eine gute Infrastruktur und didaktisch aufgebaute Angebote, um den Schulen der Region als attraktiver ausserschulischer Lernort zu dienen, wo Natur hautnah erlebt wird und bleibende Erlebnisse geschaffen werden. Es ist das erste und bisher einzige Naturzentrum im Kanton Bern. Für Pro Natura Bern hat es daher Pioniercharakter für die Umweltbildung der Sektion und bedeutet einen Meilenstein in diesem Bereich. Ebenso bietet es neue Möglichkeiten zur Verbesserung unserer Sichtbarkeit und für eine verstärkte Öffentlichkeitsarbeit zu Gunsten der Natur, die heute wichtiger denn je ist. 

Nicolas Dussex, Zentrumsleiter

Mit seinen Anlässen will das Pro Natura Zentrum Eichholz ein breites Publikum für die Natur begeistern. Foto: M. Sorg
Mit seinen Anlässen will das Pro Natura Zentrum Eichholz ein breites Publikum für die Natur begeistern.

Weiterführende Informationen

Info

Das Pro Natura Zentrum Eichholz ist ab dem 24. April jeweils Mi, Sa und So von 13.30 bis17.30 Uhr geöffnet.

Kontakt

Das Programm kann bestellt werden bei:
Pro Natura Zentrum Eichholz
Strandweg 60
3084 Wabern
@email